Mord mit Aussicht
Ich gucke ja viel Zeug (wie man sieht, wenn man sich mal durch meine Reviews klickt), aber etwas das ich sehr selten gucke, sind deutsche Produktionen. Es gibt ungefähr 2 deutsche Filme, die ich in den letzten ~30 Jahren wirklich gut fand, und ebenso ungefähr 2 deutsche Serien (Der Tatortreiniger und Dark). Als Fan vom Tatortreiniger habe ich schon vor längerer Zeit von der Serie Mord mit Aussicht gehört, da sie von denselben Produzenten ist und denselben Schauspieler hat (Bjarne Mädel). Ich weiß ehrlich gesagt nicht, warum ich so lange gebraucht habe, um mir die Serie endlich mal anzusehen.
Und jetzt hab ich’s endlich geschafft, und ich fand Mord mit Aussicht überraschend gut, weil ich als ehemaliges Landei so viel was in dieser Serie dargestellt wird wiedererkenne. In der Serie wird eine Kommissarin aus Köln zur Abteilungsleiterin befördert – aber nicht in Köln, sondern in einem ganz kleinen Dorf mitten in der Pampa, in der Eifel. Dort leitet sie fortan die örtliche Polizeiwache, die aus zwei Polizisten besteht, Dietmar Schäffer, um die 40 (Bjarne Mädel) und die relativ junge Bärbel Schmied (Meike Droste) – beides ziemliche Landeier.
Die Serie hat einen sehr subtilen Humor, zumindest in den ersten beiden Staffeln, und wird sowohl von den hervorragend skurrilen Charakteren, als auch von seinen Running Gags getragen… find ich. Man kann gar nicht so wirklich in Worte fassen, was diese Charaktere so faszinierend und eigenartig macht, aber sie wachsen einem ziemlich schnell ans Herz und werden wirklich großartig von den Schauspieler*innen dargestellt. Kommissarin Haas, die immer einen Spruch auf den Lippen hat, definitiv zu viel trinkt, und mit ihrem Cabrio viel zu schnell durch die Gegend saust. Schäffer, der Frau Haas immer mit “Chef” anspricht, “aber Sie sind Schäffer”, und der sobald auch nur einmal das Telefon klingelt wieder seinen Lieblingssatz “Mann, Mann, Mann, hier ist aber wieder was los heute” rauslässt. Seine Frau, die wirklich alles weiß bevor es die Polizei weiß. Und Bärbel, die manchmal etwas naiv aber irgendwie sehr knuffig ist.
Die Serie ist als ganzes auch wahnsinnig konsistent, wie man das gar nicht so von Polizeiserien erwartet (zumindest nicht von amerikanischen, die oft unter episodic amnesia leiden). Ereignisse die in vorherigen Folgen passiert sind, haben werden oft noch weiterverfolgt, und manchmal werden alte Fälle wieder relevant. Dies bringt mich allerdings zu meinem einzigem Kritikpunkt an der Serie: Staffel 3 und alles was danach kam. Staffel 3 machte zwar auch sehr viel Spaß zu gucken, aber man hat als Zuschauer gemerkt, dass die Autoren da irgendwie ein bisschen zu wild geworden sind. Die episodenübergreifenden Handlungen werden in dieser Staffel viel zu lange hinausgezogen, so dass es irgendwann nervig wird – ganz besonders z.B. die Handlung mit Schäffer’s Mutter, sowie die mit Bärbel’s Bruder’s Hof. Außerdem gab es so einige Entwicklungen die wirklich absolut keinen Sinn machen, und die ich überhaupt nicht nachvollziehen kann, darunter z.B. dass Frau Haas nun auf den Bürgermeister scharf ist anstatt beim, meiner Meinung nach, sehr viel liebenswerterem Jochen zu bleiben. Am schlimmsten war aber der Handlungsstrang mit Bärbel’s Schwangerschaft. Warum zum Teufel hat die arme Frau sich dazu entschieden ein Kind auszutragen, dass sie nicht wollte und alleinerziehende Mutter zu werden. Ich finde das suggeriert nichts gutes, und es wäre sinnvoller gewesen wenn man entweder hier das Thema Abtreibung thematisiert hätte, sie einen vernüftigen Partner gehabt hätte, oder vielleicht sogar einen Partnerin (da war ja mal Matilde)…
Ich habe mich mit Abschluss der Serie in der Sonderfolge im Filmformat Ein Mord mit Aussicht dann dazu entschlossen das Fortsetzungsreboot (Staffel 4) nicht zu gucken, da dies ohnehin aus komplett anderen Charakteren besteht, und nachdem was ich darüber gelesen hab würde es mich nur aufregen wie da mit den Originalcharakteren umgegangen worden ist.
Nichtdestotrotz ist die Serie ein Erlebnis, grade wenn man wie ich in so einem Dorf aufgewachsen ist. Was oft in der Serie als etwas absurd oder skurril dargestellt wird, ist halt einfach so auf dem Land, und das weiß man wahrscheinlich auch nur wirklich wenn man es selbst erlebt hat. Es gibt dort wirklich Menschen wie Frau Schäffer die immer alles sofort wissen. Es gibt oft wirklich nur ein Lokal, wenn überhaupt. Und grade wie die alten Leute dargestellt werden und wie sie reden, ist 100% aus der Realität übernommen. Nicht nur Frau Ziegler. Sowohl als Landei, als auch als Stadtkind kann ich die Serie empfehlen, denn entweder man erkennt es wieder, oder man lernt ein bisschen über die Mentalität von deutschen Provinzmenschen 🙂
+++ Spoiler Alert! +++
Ich habe die Serie auch sehr gerne geguckt, aber ich habe ganz ähnliche Kritikpunkte wie du daran gehabt. Ich finde es wirklich schade, dass gerade zum Ende hin die beiden weiblichen Hauptcharaktere erstaunlich schwach wirken. Wo ist der Feminismus, den die Serie einem zu Anfang verspricht? Das mit Bärbel und Matilde habe ich gefeiert und bis zum Ende gehofft, dass es da ein Comeback gibt. Und ich fand es äußerst schade (und unpassend?!), dass die Haas überhaupt einen Mann an ihrer Seite braucht. Beide Männer haben zwar ihren Charme, aber können ihr doch irgendwie nicht das Wasser reichen und mir schien es immer so, als würde sie ohne eh besser klarkommen.
Und zum Reboot: Den kann man sich wirklich sparen. Keine Ahnung, was man sich dabei gedacht hat…